“This six thousand miles I roamed, just to make this dock my home” –

I.

Otis Redding verließ seine Heimat Georgia und verliebte sich in San Francisco. Ich verließ meine Heimat Köln und verliebe mich jeden Tag aufs Neue in San Francisco. Doch eins nach dem anderen…

Schon immer hatte ich großes Interesse an fremden Sprachen und Kulturen. Ich bewundere den Mut von Migranten und betrachte Auslandserfahrungen jeglicher Art als persönliche Bereicherung. Insbesondere beruflich bedingte Auslandsaufenthalte bieten die Möglichkeit, ein Land über die üblichen Urlaubserfahrungen hinaus kennenzulernen. Die Aussicht darauf, meinen kulturellen Horizont zu erweitern und mich persönlich und auch beruflich weiterzuentwickeln, war ein ausschlaggebender Grund für meine Entscheidung, meine Wahlstation im Ausland zu absolvieren. Stellte sich zunächst die Frage: wo?

Ich bin ehrlich – ich wollte einen warmen Ort. Studium und Referendariat im kühlen Deutschland hatten genug an meinen Nerven gezehrt und ich wollte Sonne, Meer oder besser noch Ozean. Ich wollte schöne Landschaften und ich wollte nette Menschen. Ich wollte aber auch in einer wirtschaftlich florierenden Region arbeiten. In einem produktiven Umfeld, inmitten von intelligenten und ambitionierten Menschen. Kalifornien schien hierfür ideal zu sein. Blieb nur noch die Frage: wie?

Amerikanische Kanzleien sind dafür bekannt, ihr Hauptaugenmerk auf Bewerber von bekannten Law Schools zu richten. Wer würde schon einer x-beliebigen deutschen Juristin antworten? Meine Lösungssuche ergab schnell, dass der DAJV der richtige Ansprechpartner ist. Ich sollte nicht enttäuscht werden. Von der Kontaktaufnahme bis hin zu den erfolgreichen Bewerbungen lief hier alles reibungslos. Nach Beitritt in die DAJV war die Teilnahme am Internship-Programm kostenfrei. Aus einer Liste von U.S.-Kanzleien, die am Programm teilnehmen, konnte ich mir bis zu fünf aussuchen und mich bei diesen bewerben. Ich war in der glücklichen Position, mir aus mehreren Zusagen eine Kanzlei auswählen zu dürfen.

„Glück“ hieß hierbei: sehr frühes Bewerben! Sich mindestens ein Jahr im Voraus um den Auslandsaufenthalt zu kümmern, ist insbesondere im Hinblick auf die nervenaufreibenden Visumangelegenheiten unabdingbar! Aber dazu weiter unten mehr…

Meine Wahl fiel auf die Kanzlei Georgopoulos & Economidis LLP. Die Hospitality Law Firm hat sich auf die Beratung und Vertretung von Gastronomiebetrieben im Raum Nordkalifornien spezialisiert. Ihr Schwerpunkt liegt auf Business Transaction, Corporate Finance, ABC (Alcohol and Beverage Licensing), Trademark Registration and Licensing und Commercial Leases. So begleitet die Kanzlei ihre Mandanten von der Geschäftsplanung und Vertragsgestaltung, über die Restauranteröffnung bis hin zu eventuellen Markenrechtsverletzungen oder Liquidierung der Gesellschaft.

Nachdem ich die Zusage erhalten hatte, musste ich mich also „nur noch“ um mein J-1 Visum kümmern. Hier kommt man um einen Sponsor nicht umhin. Ich habe mit dem German American Chamber of Commerce California (GACC CA) zusammengearbeitet. Trotz sehr frühem Anstoßen des Prozesses musste ich viel Druck machen, um doch sehr knapp vor dem Examen noch mein Visum zu erhalten. Jedem, der zusätzlichen Stress vor dem Examen vermeiden möchte, kann ich von diesem Unternehmen abraten. Später habe ich erfahren, dass die GACC NY um einiges kompetenter sein soll – zudem ist hier der Zeitunterschied geringer, was auch die Kommunikation erleichtert.

Ende März war es dann soweit. Kanzlei, Visum, Flug – all‘ das war in trockenen Tüchern und meinem ersten Tag bei Georgopoulos & Economidis LLP stand nichts entgegen.

Die Kanzlei liegt im Financial District (FiDi) inmitten vieler Wolkenkratzer und nur zehn Minuten (zu Fuß!) zum Embarcadero mit den berühmten Piers, Anlegestellen mit Überfahrten nach Alcatraz und einem beeindruckenden Ausblick auf die Bay Bridge.

Der Start bei Roberta Economidis und Zach Georgopoulos konnte angenehmer nicht sein. Nach einer warmherzigen Umarmung durfte ich direkt „ins kalte Wasser springen“ und am montäglichen Client-List-Meeting teilnehmen. Im Meeting wurde ich sodann mit meinem ersten Recherchethema vertraut gemacht und fühlte mich somit schnell als Teil des Teams. Generell ist die Atmosphäre bei GE Law sehr freundschaftlich. Während die Umgangsformen zwischen deutschen Kollegen geprägt sind von einer gewissen Förmlichkeit, gar Distanz, herrscht hier ein ganz anderes Arbeitsklima. Meine Ausbilderin, Roberta, hat nicht nur auf professioneller Ebene immer ein offenes Ohr für mich, sondern auch zahlreiche Tipps für meine Freizeitgestaltung parat. Diese positive Umgangsweise, das Entgegenkommen sowie die Wertschätzung tragen zu einem besonders großen Wohlbefinden bei.

Mein Aufgabenbereich umfasst hauptsächlich das Verfassen von Legal Memorandums (Rechtsgutachten) nach einer ausführlichem Case-Law Recherche. Zudem überprüfe ich License Agreements, nehme an Mandantengesprächen teil und erhalte somit bisher einen sehr guten Eindruck von der Arbeitsweise amerikanischer Anwälte.

Der Besuch von Gerichtsterminen, Zeugenvernehmungen („Depositions“) und Mediationen steht noch an. Roberta legt hierbei besonderen Wert auf meine Interessen und möchte mir auch gerne einen Einblick beispielsweise in das amerikanische Strafrecht (Criminal Law) geben.

Mein erster Eindruck von San Francisco sowie der GE Law war bisher ein durchweg positiver und ich bin sehr gespannt auf meine weiteren Erfahrungen hier: den Ausflügen in Gerichtssäle und andere Rechtsgebiete zum einen und ins restliche Kalifornien zum anderen!

II.

In meinem ersten Bericht schrieb ich von meiner Vorfreude auf Ausflüge in Gerichtssäle sowie ins restliche Kalifornien. Von meinen Erfahrungen hierzu möchte ich in diesem Teil berichten.

Doch beginnen wir zunächst mit meinem Arbeitsalltag.

Meinen Tag starte ich im Caltrain Richtung San Francisco zusammen mit pendelnden Techies – erkennbar an ihren Badges von namhaften Unternehmen. Vom Bahnhof laufe ich 20 Minuten ins Financial District. Nach einem Cappuccino in meinem Lieblings-Café Peet’s bin ich um halb zehn im Büro.

Legal Memorandums zu verfassen, ist weiterhin Hauptbestandteil meiner Arbeit. Daneben durfte ich an Depositions (Zeugenvernehmungen) teilnehmen, an der Gestaltung von Operating Agreements (Betriebsvereinbarungen) für LLCs mitwirken und in den administrativen Tätigkeitsbereich blicken.

Roberta übertrug mir zuletzt auch die Bearbeitung eines Falles, in dem ich von der Recherche bis hin zur Klageeinreichung (Geldforderung eines Unternehmens gegen ehemaligen Mitarbeiter) allein verantwortlich war.

Generell wurde ich vom ersten Tag an nicht wie eine „Praktikantin“ behandelt, sondern fühlte mich immer vollends mit eingebunden – beginnend beim täglichen Lunch, über die wöchentlichen Meetings bis hin zu immer konstruktivem Feedback.

Überdies vermittelte Roberta mir, um mein Bild von amerikanischer Juristentätigkeit zu komplettieren, den Kontakt zu einem Assistant District Attorney (Staatsanwalt), in dessen Arbeitsalltag er mir Einblick gewährte. In der Hall of Justice konnte ich den Gerichtssälen San Franciscos spannenden Preliminary Hearings (Vorverhandlung) und Arraignments (Anklageverlesungen) beiwohnen und interne Arbeitsabläufe des San Francisco District Attorney’s Office (Staatsanwaltschaft) beobachten.

Über einen privaten Kontakt konnte ich zudem vom Deutschen Generalkonsulat in San Francisco ausgerichtete juristische Seminare besuchen. Diese American Law Seminare richten sich speziell an Deutsche oder andere ausländische Referendare. Sie finden im imposanten Gebäude des Generalkonsulats mit schwindelerregendem Blick auf die Bay mit Alcatraz im Hintergrund statt und waren thematisch sehr hilfreich für meine Tätigkeit in der Kanzlei. Ich kann daher jedem zukünftigen Referendar empfehlen, per E-Mail eine Seminaranfrage an das Konsulat zu stellen.

Da Roberta bei ihren Referendaren besonders viel Wert auf die Work-Life-Balance legt, konnte ich dies nutzen, um abseits von San Francisco noch ein wenig das restliche Kalifornien zu entdecken.

Mit seinen landschaftlichen Reizen geizt Kalifornien nicht und belohnt jedes Verlassen der vier Wände mit atemberaubenden Kulissen. Dank seiner Vielfältigkeit ist für jeden Geschmack etwas dabei. So kann man die über den ganzen Staat verteilten Redwoods bestaunen, im Yosemite im Gebirge der Sierra Nevada wandern oder einzigartige Sonnenuntergänge an einem der zahlreichen Strände am Pazifik genießen. Schnee, Sonne oder Wüste – Kalifornien hat alles zu bieten.

Bestenfalls verbindet man die absoluten Highlights des Landes mit einem Road Trip.

Hierzu kann ich nur empfehlen, auf dem beeindruckenden – selbst für Amerikaner auf der Bucket List stehenden – Highway 1 Richtung Süden um die Kurven zu cruisen. Unterwegs kann man Halt machen in den unzähligen, mit ihrer Schönheit um die Wette blendenden Orten wie Santa Cruz, Carmel-by-the-Sea, Big Sur und Santa Barbara. In Los Angeles angekommen, sollte man mexikanisch essen, rollerbladen in Venice und shoppen in Melrose.

Wem in L.A. zu viel los ist, der kann im südlichsten Teil Kaliforniens im ruhigeren San Diego die Seele baumeln lassen.

Für einen Abstecher nach Las Vegas (NV) kann man übrigens bei einer Flugzeit von 1 ½ Stunden am besten entspannt von San Francisco aus fliegen.

Trotz meiner vielen Erlebnisse bisher – sie alle allein in diesem Bericht zu nennen, würde ihren Rahmen sprengen – steigt mein Wunsch nach mehr fast täglich.

In meinen letzten Wochen hoffe ich, weitere Ziele erkunden zu können und The American, bzw. Californian Way of Life in vollen Zügen zu genießen.

III.

Fünf Monate sind nun vergangen seit ich in den Flieger stieg, um meine Wahlstation in Kalifornien zu absolvieren. Wenn ich jetzt zurückschaue, erscheint mir die Zeit, die viel zu schnell verflogen ist, wie ein Traum.

Vor der Abreise war ich sehr skeptisch, welchen Herausforderungen ich mich würde stellen müssen. Vor Ort habe ich jedoch festgestellt, dass die größte Hürde die sich ewig ziehenden Visumangelegenheiten im Vorfeld waren. Einmal angekommen, hatte ich mich sofort wohlgefühlt, wozu nicht nur Roberta und Zach mit ihrer Herzlichkeit beitrugen, sondern auch die offene Mentalität der Kalifornier, das unschlagbare Wetter und die atemberaubende Natur, von der ich in meinen vorherigen Berichten schon genug geschwärmt habe. Einziger Haken: meine Kreditkarten glühten. Zurück in Deutschland wollte ich mir die Abrechnungen nicht anschauen.

Kalifornien ist teuer, aber San Francisco spielt in der Hinsicht in einer eigenen Liga. Die Lebenshaltungskosten steigen von Jahr zu Jahr in der Tech-Metropole – gefühlt proportional zu der Zahl der Obdachlosen. Wie teuer die Stadt ist, wurde mir erst zurück in Deutschland richtig bewusst. Der Blick auf den Kassenzettel nach einem Rewe-Großeinkauf verdutzt mich immer noch, weil dieser so viel kostet wie ein Zehntel bei Whole Foods (auch “Whole Paycheck” genannt).

Relativ “günstig” hätte man sich natürlich auch durchschlagen können, aber die USA ist die Nummer 1 darin, zu verkaufen. Alles sieht einladend aus. Alles wird gut angepriesen. Die Restaurants und Bars schreien geradezu nach dir. Über die hohen Rechnungen kann man sich nicht einmal richtig ärgern, da Essen, Service und Ambiente fast überall stimmen.

In meinen letzten Wochen habe ich noch einmal so viel wie möglich mitzunehmen versucht. Ich durfte den 4th of July miterleben, die Pride Parade in San Francisco besuchen, für einen weiteren Trip nach L.A fliegen, habe Wein in Napa Valley gekostet, Alcatraz an einem windigen Tag besucht und den Anblick der Golden Gate Bridge, einer der schönsten Brücken der Welt, an einem untypisch sonnigen Tag genossen.

Der Abschied fiel sehr schwer. Ich ging mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Natürlich hatte ich meine Familie und Freunde vermisst. Andererseits habe ich neue Bekanntschaften liebgewonnen und sie ungern verlassen. Nicht nur die bekannten und unbekannten Gesichter machten es mir schwer, auch das Land selbst mit all’ seinen Facetten schien mir noch sehr viel mehr bieten zu wollen, als das Bisschen, was ich gesehen hatte.

Daher kann ich nur jedem, der mit dem Gedanken spielt, für die Wahlstation nach Kalifornien zu gehen, sagen: macht es! Verbessert eure juristischen Englischkenntnisse, taucht in ein komplett anderes Rechtssystem ein und erweitert euren Horizont, knüpft internationale Kontakte, genießt dieses großartige Land! Nehmt die Mühen auf euch, um diese Erlebnisse nicht missen zu müssen.

Ich weiß, dass ich sie nicht vergessen werde. Aber ich weiß auch, dass Kalifornien mich nicht das letzte Mal gesehen hat.

“I’m going going, back back, to Cali Cali…” –  Christopher Wallace

Dila Süzer studierte Rechts-wissenschaften an der Universität Bonn mit dem Schwerpunkt Zivilrechtspflege, Anwaltsberuf und Notariat. Ihr Referendariat absolvierte sie in Düsseldorf, Köln, San Diego und San Francisco. Nach ihrer Rechtsanwaltsstation in der international agierenden Anwaltskanzlei Troutman Sanders in San Diego zog es sie für die Wahlstation erneut an die kalifornische Küste. Diesmal in San Francisco, war sie für die Wirtschaftskanzlei Georgopoulos & Economidis tätig.

Zurück zur Übersicht