By Dr. Matthias Reidt, LL.M. (Columbia)

 

Professor Kirk Junker legt mit “U.S. Law for Civil Lawyers” ein vielseitiges und gleichermaßen spannendes Werk vor, das in 15 Kapiteln verschiedene Bereiche des U.S.-Rechts erläutert. Ungeachtet der ausdifferenzierten fachspezifischen Inhalte – mal stößt der Leser auf die erwarteten klassischen Themen wie Verfahrensrecht oder Vertragsrecht, mal auf eine außergewöhnlichere Themensetzung wie Lebensmittelrecht oder Umweltrecht – ist das Handbuch aus der Perspektive des U.S. Law as Foreign Law verfasst. Dahinter verbirgt sich nicht nur ein durchdachtes methodisches Konzept, sondern eine ambitionierte Zielsetzung, der mit derjenigen der DAJV vergleichbar ist: die Förderung des transatlantischen Verständnisses durch Bildung, wissenschaftliche Diskussion und den Austausch der Rechtskulturen. Diesem Ziel werden Professor Kirk Junker und die vierzehn weiteren Autorinnen und Autoren, allesamt ausgewiesene und im amerikanischen Rechtskreis sozialisierte Expertinnen und Experten für die von ihnen behandelten Spezialbereiche, gerecht.

Funktionale Rechtsvergleichung

Bemerkenswert ist vor allem die methodische Konzeption, die das Werk von vergleichbaren Handbüchern deutlich unterscheidet. Üblicherweise nehmen rechtsvergleichende Arbeiten fremde Rechtsordnungen in den Blick – und zwar durch die Brille des Vorverständnisses der eigenen Rechtsordnung und Rechtskultur. Hier erläutern im U.S.-Recht ausgebildete Juristinnen und Juristen das eigene Rechtssystem einem Adressatenkreis gegenüber, der im Civil-Law- System sozialisiert wurde. Das Handbuch wird also nicht aufgrund Autor und Gegenstand zu einer rechtsvergleichenden Arbeit, sondern in erster Linie aufgrund ihres Adressatenkreises. Die Verfasser des Buches vermeiden ganz bewusst, ihr eigenes “amerikanisches Vorverständnis” an die Stelle des Vorverständnisses eines Außenbetrachters der U.S.-Rechtsordnung zu setzen, sondern liefern eine reflektierte Beschreibung abgestimmt auf den Adressatenkreis des “europäischen Juristen”. Dadurch ermöglicht das Buch eine funktionale Rechtsvergleichung und überlässt sie gleichzeitig dem Leser. Diese Rechnung geht auf: Für den Leser entfaltet sich eine erkenntnisreiche Lektüre, die stets zu rechtvergleichenden Überlegungen und zur Bewertung und Reflexion der eigenen und der “fremden” Rechtskultur anregt.

Übersetzung zentraler U.S.-Rechtsbegriffe

Eine zentrale Rolle nehmen dabei die im Handbuch enthaltenen Übersetzungen der wichtigsten Rechtsbegriffe in vier Sprachen (Deutsch, Französisch, Spanisch und Italienisch) ein. Anstelle einer lediglich wörtlichen Übersetzung, wurden gezielt diejenigen fremdsprachigen Begriffe ausgewählt, die unter Beachtung rechtsdogmatischer und rechtskulturellen Besonderheiten der fünf Rechtssysteme am passgenauesten erschienen. Auch durch diese Hilfestellung wird der Leser zur funktionalen Rechtsvergleichung angereizt, ohne dass die Verfasser Ergebnisse vorgeben. Die Übersetzungen können über einen Index (S. 357) benutzerfreundlich nachgeschlagen werden und können daher auch im Rahmen der täglichen praktischen Arbeit genutzt werden (insbesondere in Bezug auf die Kapitel 1 bis 5).

Grundcharistika des U.S.-Rechts

Die Bedeutung des methodischen Ansatzes, der das gesamte Buch durchzieht, wird dadurch unterstrichen, dass die Grundpfeiler unter dem Titel “Foreign Law and Comparative Law” bereits zu Beginn des ersten Kapitels gründlich dargestellt werden. Die Ausführung zur Methode der Rechtsvergleichung, zum Vorverständnis aufgrund eigener rechtskultureller Sozialisierung und der Rolle funktionaler Übersetzungen geben demjenigen, der sich aufmacht, eine fremde Rechtsordnung/-kultur zu studieren, das notwendige Handwerkszeug mit auf den Weg. Der zweite Teil komplettiert das “Grundlagen-Kapitel” durch eine reflektierte Auseinandersetzung mit den Grundcharakteristika des U.S.-Rechts. Von einer prägnanten Zusammenfassung der stare decisis doctrine über eine unaufgeregte – und gerade deshalb sehr lesenswerte – Analyse der Institution des jury trial bis hin zur Kurzbeschreibung des Föderalismus in den U.S.A. bietet der Verfasser eine konzise Einführung, die merklich von der Erfahrung Professor Kirk Junkers als langjähriger “Kölner Transmissionsriemen” zwischen dem U.S.-amerikanischen und dem deutschsprachigen Rechtskreis profitiert.

U.S. Recht in der Praxis

Die nachfolgenden Kapitel 2 bis 5 behandeln die Themen Federal Civil Litigation and Brief Drafting Strategy, International Arbitration, und Contracts Drafting. Kennzeichnend für diesen Abschnitt des Handbuchs ist eine sehr prägnante, eingängige und praxisorientierte Darstellung, die sich sowohl für den an einem guten Überblick interessierten Studenten oder Wissenschaftler als auch den Praktiker eignet. Die hohe Informationsdichte auf geringem Raum ist im positivsten Sinne frappierend. Eine vertiefende Darstellung einzelner Probleme darf hier allerdings nicht erwartet werden, was aber auch nicht der Zielsetzung des Handbuchs entspräche. Als äußerst gewinnbringend dürften sich diese Kapitel für civil lawyers erweisen, die sich erstmalig mit dem U.S.-Recht auseinandersetzen.

Lebensmittelrecht und Umweltrecht

Es schließen sich zwei kurze Kapitel zu sehr spezifischen Rechtsbereichen an: arbeitsrechtliche Verschwiegenheitsvereinbarungen (Kapitel 6 – Confidential Information and Restrictive Covenants) und Subunternehmerverträge (Kapitel 7 – Back-to-back Contracts). Der Grad an thematischer Spezifität überrascht, denn der Titel und auch die Kategorie “Handbuch” lassen dies nicht unbedingt erwarten. Es handelt sich aber neben dem eingangs beschriebenen methodischen Tiefgang um eine zweite Besonderheit des vorliegenden Werks. Neben den “Mainstream”-Themen werden in den Kapiteln 7, 11 (Nonprofit Organizations), 15 (Food Law) – und vielleicht möchte man noch 6 und 14 (Environmental Law) hinzunehmen – Spezialthemen behandelt. Bei der Lektüre dieser Kapitel wird klar: Es sind “moderne” Themen mit zunehmender Bedeutung und sie sind “here to stay”. Die Kapitel illustrieren zudem die jeder Rechtsordnung innewohnende dynamische Entwicklung – hier in Bezug auf das U.S.-Recht. Wenn man aus diesen Kapiteln eines herausheben will, dann vielleicht das Kapitel zum U.S.-Umweltrecht, ein Forschungsschwerpunkt des Kölner Lehrstuhls von Professor Kirk Junker. Es ist nicht nur ein kenntnisreiches Kapitel über ein Thema, dass sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantik zum einem der wichtigsten Themen unserer Zeit avanciert. Es treten auch einige prägende Charakteristika des U.S.-Rechts besonders plakativ zu Tage: das komplexe föderale Kompetenzgefüge und die “Litigiousness” des U.S.-Rechts. Abermals wird deutlich, dass es den Verfassern nicht lediglich um eine geordnete Darstellung des U.S.-Rechts geht, sondern auch um die Herausstellung und Reflexion seiner Besonderheiten aus der Perspektive des U.S. Law as Foreign Law.

IP, Tax, White Collar Crime

Von aktueller Relevanz sind nicht nur die “modernen” Kapitel, sondern auch die weiteren “Mainstream”-Kapitel: So behandeln die Kapitel 8 (Intellectual Property), 9 (Income Taxation and Audits), 12 (Immigration Law) und 13 (White Collar Crime) Themen, deren globale Relevanz weiter zunimmt und schon aus diesem Grund das Interesse des kontinentaleuropäischen Juristen wecken. Etwas aus dem Rahmen fällt das “exotischste” Kapitel 10 über die Bezüge des U.S.-Rechts zum internationalen Seerecht.

In der Gesamtschau wird deutlich: “U.S. Law for Civil Lawyers” ist kein herkömmliches Handbuch zum U.S.-Recht. Wer ein detailliertes Kompendium zu allen klassischen Bereichen des U.S.-Rechts erwartet, wird hier nicht fündig. Darin besteht hingegen der große Vorzug des vorliegenden Handbuchs. Denn weitere Mainstream-Regalmeter zu befüllen, bringt naturgemäß wenig Erkenntnisgewinn. Ganz im Gegenteil bietet das vorgelegte Handbuch im Ergebnis dreierlei: (1) eine prägnante und konzise Zusammenfassung der Grundcharakteristika des U.S.-Rechts und der Themenbereiche Zivilprozessrecht, Contract Drafting, Arbitration, IP, Einkommsteuerrecht, Ausländerrecht und Wirtschaftsstrafrecht, (2) lesenswerte Einführungen in spezifische, moderne Bereiche des U.S.-Rechts mit wachsender Bedeutung und (3) eine durchdachte und erkenntnisreiche methodische Fundierung. Es ist den Verfassern zu wünschen, dass das Handbuch eine breite Leserschaft finden und in kommenden Auflagen um weitere spannende Themenfelder ausgebaut wird.

 

Der Autor:

Dr. Matthias Reidt, LL.M. (Columbia) ist Rechtsanwalt bei Hengeler Mueller, Düsseldorf.