By Isabel Cagala

 

  1. Wohin führte Sie Ihre erste USA-Reise?
    Meine erste USA-Reise dauerte gleich ein ganzes Jahr – 1983/84 als Gastschülerin nach St. Charles, einem kleinen Ort in der Nähe von St. Louis, Missouri.
  2. Wie würden Sie die USA in drei Stichworten beschreiben?
    Immer noch ein Land unbegrenzter Möglichkeiten, aber auch ein gespaltenes Land und ein Land der Extreme.
  3. Bester US-Präsident?
    Barack Obama.
  4. Sie fahren mit dem Auto von San Francisco nach Los Angeles, welche Musik begleitet Sie?
    Dolly Parton, Cher, Frank Sinatra und Montserrat Caballé.
  5. Bei welchem Ereignis US-amerikanischer Geschichte wären Sie gerne dabei gewesen?
    Bei der Verabschiedung der Unabhängigkeitserklärung – wahrscheinlich ist das die typische Antwort.
  6. Ihr Lieblingsort in den USA?
    Ich habe wunderbare Erinnerungen an meine Zeit in Chicago 1992/1993. Chicago ist immer eine Reise wert. Es bietet alles – eine der schönsten Skylines dieser Welt, tolle Museen, Bars, Musik, Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten ohne die anonyme Hektik von New York. Viel Natur drum herum!
  7. Der amerikanische Traum…
    …lebt noch. Aber wenn Träume Realität werden, müssen auch die bezahlt werden.
  8. Welches Werk US-amerikanischer Literatur hat Sie am meisten beeindruckt?
    The Scarlett Letter von Nathaniel Hawthorne. Ich habe das Buch in American Literature in der High School gelesen und erinnere mich noch wie heute an die „amerikanische Interpretation“ des Textes.
  9. Mit welchem berühmten noch lebenden bzw. bereits verstorbenen US-Amerikaner würden Sie gerne ein Bier trinken gehen?
    Martin Luther King.
  10. Drei gute Gründe für Jurist*innen, sich auf Bankaufsichtsrecht zu spezialisieren?
    – Es ist ein sich ständig entwickelndes Rechtsgebiet, weil Banken innovativ sind und der Gesetzgeber vieles dem Anwender/Umsetzer durch große Interpretationsspielräume und umfangreiches Ermessen überlassen muss.
    – Als Bankenaufseher kann man nicht nur, sondern muss sehr viel selbst gestalten, um auf die sich ständig verändernden Risiken angemessen zu reagieren. Wer sich also in der Rechtsanwendung ohne Kommentarliteratur oder gefestigte Rechtsprechung nicht wohl fühlt, sollte nicht Bankenaufseher werden. Im Bankaufsichtsrecht gibt es kaum Kommentare und Rechtsprechung.
    – Es gibt nicht so viele Jurist*innen, die sich auf Bankaufsichtsrecht spezialisieren.
  11. Was ist von Kryptowährungen zu halten?
    Für mich gibt es noch keine Krypto-Währungen, sondern nur Krypto-Assets. Und diese Asset-Klasse mit ihren hohen Kursschwankungen ist nur etwas für jemand, der es sich leisten kann, auch alles wieder zu verlieren.
  12. Was kann die EU – in währungspolitischer Sicht – von den USA lernen?
    Die USA sind deutlich transparenter in ihrer Darstellung, wie geldpolitische Entscheidungen zustande kommen.
  13. Was können die USA – in währungspolitischer Sicht – von der EU lernen?
    Es fällt mir schwer, einer anderen Zentralbank Ratschläge zu geben – da sind wir Zentralbanker immer sehr zurückhaltend.
  14. Die größte Herausforderung der EZB in den kommenden zehn Jahren?
    Der Ausstieg aus der derzeit extrem akkommodierenden Geldpolitik! Sollte die EZB wegen zu hoher Inflation die Anleiheverkäufe einstellen und die Zinsen anheben müssen, wird dies eklatante Auswirkungen auf die Staats- und Bankenfinanzierung haben.
  15. Wo genau im EZB-Tower, entworfen von Coop Himmelb(l)au, lässt es sich am besten über die Zukunft des Euro nachdenken?
    Tatsächlich im Sitzungsraum für den EZB-Rat; ein Raum mit viel Ausblick.
  16. Eine wesentliche Erkenntnis aus Ihrer Zeit als Direktorin der Europäischen Zentralbank?
    Es gibt viele Erkenntnisse aus dieser Zeit. Aber vielleicht greife ich doch eine auf, die mir zwar vorher bewusst war, aber die mich in ihrer Relevanz und Intensität dann doch sehr überrascht hat: Wir haben in Europa gleiche oder ähnliche Ziele und wir alle wissen um die Bedeutung von cultural awareness; unsere Herangehensweise und unser Handeln in der Krise sind aber immer noch sehr von nationalen Traditionen und der Prägung aus Kindertagen gesteuert. Und dies hat erhebliche Folgen auf die Problemlösungen. Aber wie schwierig, zeitraubend und komplex manchmal der europäische Prozess auch ist, es ist immer noch der beste Weg für langfristigen Wohlstand und eine gute Zukunft der Deutschen.
  17. Welche Persönlichkeit, die Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn kennenlernen durften, hat Sie am meisten beeindruckt?
    Da kann ich unmöglich nur eine Persönlichkeit heraussuchen! Ich fand einige Frauen sehr beindruckend – wie etwa Janet Yellen, Julie Dickson, Christine Lagarde und Angela Merkel.
  18. Was wären Sie geworden, wenn nicht Juristin?
    Ich hätte mich vermutlich für ein Geschichtsstudium entschieden.
  19. Sie haben zwölf Stunden in New York, was machen Sie?
    Ich gehe in den Central Park, dann ins MoMa und danach zum Bryant Park irgendwo zum Essen.
  20. Welches Restaurant in Washington D.C. würden Sie Freunden empfehlen?
    Da habe ich leider keine Empfehlung. Ich habe mir immer was in Georgetown gesucht.
  21. Ein Künstler, in den Sie investieren würden?
    Auch da traue ich mir eine informierte Empfehlung nicht zu. Für mich persönlich ist Kunst kein „Anlage-Asset“; mir muss Kunst gefallen.
  22. Ein Moment in Ihrer beeindruckenden Laufbahn, an den Sie gerne zurückdenken?
    Das Jahr 2014 mit der Aufbauphase der europäischen Bankenaufsicht, des Single Supervisory Mechanism bei der EZB, war mit Abstand der Zeitraum mit den besten Erinnerungen. Es war eine sehr anstrengende, aber halt auch unglaublich befriedigende Arbeit. Als Daniele Nouy und ich dann im November 2014 offiziell die Verantwortung über die Bankenaufsicht im Euroraum übernahmen, hatten wir beide das Gefühl, dass wir wirklich etwas Relevantes zur europäischen Integration beitragen.

 

Sabine Lautenschläger war von 2014 bis 2019 Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank und stellvertretende Vorsitzende der EZB-Bankenaufsicht. Die studierte Juristin war von 2011-2014 Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank. Von 2008-2011 war sie Mitglied des Direktoriums und Exekutivdirektorin Bankenaufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wo sie seit 1999 zahlreiche Führungspositionen innehatte. Sie leitete in der BaFin u.a. die Abteilung Aufsicht über international tätige Großbanken/qualitative Aufsichtsstandards. Ihre berufliche Laufbahn begann sie 1995 beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. Sabine Lautenschläger engagiert sich gemeinsam mit Henry A. Kissinger für den in New York ansässigen  Financial Services Volunteer Corps (FSVC) und ist Mitglied des FSVC Vorstands.