By Kevin Frank

Seit September 2021 wird Deutschland von der sogenannten Ampelkoalition regiert. Auf der anderen Seite des Atlantiks fanden ebenfalls wichtige Wahlen statt. Bei diesen hat der frühere Präsident Donald J. Trump den Kandidaten in Ohio State unterstützt und so sein vorhandenes politisches Gewicht demonstriert.[1] Die Frage, die an dieser Stelle viele Menschen auch hierzulande umtreibt, ist dabei: wird sich Trump noch einmal zur Wahl stellen? Da das Interesse bezüglich dieser Frage sichtlich angestiegen ist, wird hier nun im Folgenden ein Kurzabriss der wichtigsten Informationen zum Thema Wahlen in den USA, mit besonderem Augenmerk auf Rechtvergleichung, angestellt.

Unterschiedliche Wahlsysteme / unterschiedliches Staatsverständnis

Hierbei sind im ersten Moment viele Parallelen zwischen den beiden Staaten zu erkennen. Es werden auf mehreren Ebenen Wahlen durchgeführt. Dabei gibt es Wahlen auf Bundesebene, den Federal Elections, und Wahlen auf untergeordneter Ebene. Bei diesen handelt es sich um Landtags- und Kommunalwahlen bzw. um State und Local Elections.[2] Dabei ergibt sich jedoch bereits der erste Unterschied. Deutschland und die USA sind bezüglich ihrer Staatenaufteilung nicht ebenbürtig. Zwar ist die USA nach außen hin – ebenso wie Deutschland – ein sogenannter Bundesstaat (Federal State), doch ist die Frage nach Souveränität der 50 Federal States eine andere als hierzulande. Vor allem die politische, wie auch die rechtliche Gesamtstruktur der einzelnen Staaten ist wesentlich diverser gestaltet. Letzteres kann man äußerst anschaulich im Zivilrecht erkennen. Für deutsche Verhältnisse wäre es nämlich undenkbar, dass wir in Kiel andere gesetzliche Vertragsmodalitäten als im Allgäu hätten. In den USA ist dies hingegen nicht ungewöhnlich, sondern Alltag. Das Feld des Contract Laws in den Staaten ist in jedem Staat eigens geregelt[3] und zeigt teilweise gewisse Unterschiede, was zu Missverständnissen führen kann. Zwar kennen wir diese Andersartigkeit auch im deutschen Recht, zum Beispiel im bundesländerspezifischen, öffentlichen-rechtlichen Sektor, doch ist hier die Grundstruktur dennoch kongruent, nur die „Hausnummern“ der einzelnen Tatbestände sind anders beziffert und ggf. anders benannt. Wenn es aber nun um den direkten Vergleich der Anfangsvoraussetzungen bezüglich der US-Bundeswahlen und der Bundestagswahlen in Deutschland geht, sind nicht allzu viele Unterschiede zu verzeichnen. In beiden Fällen muss eine Staatsbürgerschaft bestehen, ein Mindestalter von 18 Jahren erreicht sein und in Fällen der Inhaftierung ist in Deutschland eine partielle Einschränkung des Wahlrechts (Fokus: aktives Wahlrecht, s. § 45 StGB) und in den USA – in fast allen Bundesstaaten[4] – eine gänzliche Einschränkung des Wahlrechts zu erkennen.[5]

Neben diesen Detailunterschieden gibt es jedoch auch eine Unterscheidung auf übergeordneter Ebene. Es findet nämlich jeweils eine Wahl statt, die so kein entsprechendes Pendant im Vergleichsland hat. In Deutschland ist das die Wahl zur Zusammensetzung des Europäischen Parlaments, auf die – im Zuge der schwierigen Vergleichbarkeit zwischen Bundesstaat (hier: USA) und Staatenverbund (EU) – nicht weiter eingegangen wird; in den USA wiederum ist das die Wahl des Präsidenten[6]

Die Wahl des Staatsoberhaupts

Auch bei dieser Wahl gelten die anerkannten Wahlrechtsgrundsätze Freiheit, Gleichheit, Allgemeinheit und das Wahlgeheimnis. Gerade mit Blick auf den ehemaligen US-Präsidenten fallen noch die Vorwürfe des Wahlbetruges ein.[7] Wahlprüfungsverfahren finden dabei sowohl in Deutschland als auch in den USA statt und sind ein essenzieller Bestandteil der Demokratie. So weit, so gleich, was ist jedoch mit der Wahl des Staats- bzw. Regierungsoberhauptes?

Olaf Scholz wurde nicht vom Volk, sondern vom Bundestag gewählt.[8] Es gibt einen Transferakt, wonach die Bürger der Bundesrepublik Deutschland ihre Erststimme für die Bundestagskandidaten abgeben und mit der Zweitstimme die entsprechende Partei wählen. Mehr ist es im ersten Schritt nicht. Im Nachgang zur Feststellung der Besetzung des Bundestages wird von diesem der Kanzler gewählt. Im Anschluss hieran erfolgt die Definition der einzelnen Ministerien und die entsprechende Stellenbesetzung durch den Amtsinhaber, Art. 65 GG (Ressortprinzip).[9]

Mehrparteiensystem vs. Zweiparteiensystem

In den USA ist es etwas anders. Der augenfälligste Unterschied liegt dabei im Zwei- gegenüber dem in Deutschland vorherrschenden Mehrparteiensystem. Es geht jedoch nochmals weiter. Wir erinnern uns, dass in Deutschland mit der Bundestagswahl die Besetzung des Bundestages festgesetzt wird, welcher dann seinerseits den Amtsinhaber wählt. Dieser in Art. 38 I GG niedergelegte Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl findet sich in Amerika bei der Wahl des Präsidenten nicht wieder, sondern mündet dort in eine Art „Mittelbarkeit“, was sich in dem Konstrukt der Wahlmänner[10] manifestiert. In den Vereinigten Staaten finden außerdem unterschiedliche Wahlen statt. Einmal geht es um die Besetzung des Parlaments (Kongress), andererseits geht es um die Besetzung der wichtigsten Stelle der freien Welt, was unter anderem auf dem Prinzip der doppelten Legitimität beruht. In Deutschland hingegen stammt dieser Legitimationsstatus für das Parlament und die Regierung aus derselben Wurzel: das Parlament wird direkt vom Volk gewählt und anschließend konstituiert sich die Regierung aus dem gebildeten Parlament, in diesem Fall auch die Besetzung des Bundeskanzlers.

Parlamentarische Republik vs. Präsidialdemokratie

Eine weitere Verschiedenheit, die recht deutlich auffällt, ist die Tatsache, dass die USA keine Separierung zwischen einem (Bundes-)Präsidenten, der in Deutschland als Staatsoberhaupt deklariert wird, und einem (Bundes-)Kanzler, welcher die Position des Regierungschefs tituliert, kennt. Dieser Umstand ist darauf zurückzuführen, dass Deutschland und die USA jeweils unterschiedliche Regierungssysteme innehaben. Deutschland ist eine sogenannte parlamentarische Republik, wohingegen die USA ein präsidentielles Regierungssystem aufweisen. In einem Präsidialsystem wird die Position des Regierungschefs und des Staatsoberhaupts auf ein staatliches Organ vereint, vornehmlich Präsident genannt. Anhand der Wahlmodalitäten erkennt man diesen Unterschied in Deutschland recht simpel, da es für den Staats- und den Regierungschef abweichende Prozedere gibt: der Bundeskanzler wird – wie oben beschrieben – nicht direkt gewählt und der Bundespräsident wird von der sogenannten Bundesversammlung[11] erwählt. Die Kompetenzen unseres derzeitigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier sind demnach nicht mit denen des regierenden US-Präsidenten Joe Biden gleichzusetzen. Der deutsche Bundespräsident ist vor allem für repräsentative Tätigkeiten zuständig, während der US-amerikanische Präsident neben der Repräsentation auch die Regierungsgeschäfte führt.[12] Was hier vor allem auffällt, ist die Tatsache, dass in einem Präsidialsystem eine Führungsposition ausgekleidet wird, die als politische Leitfigur auf Zeit verstanden wird, mit der sich ein Teil der Wähler identifizieren kann. Diesen Charakter einer „Leitfigur“ gibt es in Deutschland aufgrund des Regierungs- und Parlamentsaufbaus nur partiell.

Electoral College

Das bereits oben angesprochene System des Wahlmännerkollegiums, im Englischen Electoral College genannt, ist etwas, was es im modernen Wahlsystem Deutschlands in dieser Form nicht gibt. Die Idee hinter dem Electoral College lässt sich leicht auf eine gewisse Hinterfragung demokratischer Positionen im Laufe der Geschichte zurückführen. Zwar durfte das Volk der jungen Staaten wählen, doch war man sich bezüglich der Bildung und v. a. der Möglichkeit der Informationsbeschaffung der Masse nicht ganz sicher, was letztlich zu einer Zwischeninstanz, nämlich dem Electoral College, führen sollte. Das Volk wählt daher im ersten Schritt die Wählmänner der jeweiligen Federal States. Diese Wahlmänner setzen sich u. a. aus Parteifunktionären sowie lokalen, aktiven und pensionierten Politikern zusammen. Das System dahinter ist selbst einigen US-Amerikanern nicht vollständig geläufig, birgt es doch einen verwirrenden Zwischenschritt. Eine Wählerin aus Florida z.B., die auf ihrem Wahlzettel ihren favorisierten Kandidaten ihr Kreuz gibt, wählt damit vorerst einen Teil der Wahlmänner, welcher in Florida 29 von insgesamt 538 bundesweiten Wahlleuten[13] beiträgt. Wenn nun für diesen Kandidaten die einfache Mehrheit in Florida abgestimmt hat, bekommt dieser alle Wahlmänner zur abschließenden Abstimmung (zweiter Schritt) und nicht nur den individuellen, prozentualen Anteil, der durch die gänzliche Stimmabgabe in diesem Federal State entsteht. Dieses Vorgehen nennt sich „The Winner takes all – Prinzip“[14] und ist in fast allen Bundesstaaten zulässig.[15]

In dem oben genannten zweiten Schritt stimmen dann die Wahlmänner grundsätzlich für den Kandidaten ab, der im jeweiligen Bundesland das Rennen gewonnen hat. Zwar kann sich – wie es in einigen Bundesstaaten sogar gesetzlich erlaubt ist – ein Wahlmann gegen die Entscheidung des Volkes entscheiden, doch treten heutzutage keine gravierenden Abweichungen mehr zwischen dem Stand der Wahl der einzelnen Federal States und der Abstimmung der Wahlmänner Mitte Dezember des Wahljahres auf. Die Diskussionen rund um die Abschaffung dieses zweigeteilten Wahlsystems entbrennen immer wieder[16], eine zeitnahe Verfassungsänderung, die einer Direktwahl Tür und Tor öffnet, ist aber noch in weiter Ferne. So bleibt das Electoral College erstmal als Überbleibsel vergangener Zeiten bestehen.

Der Besuch von Donald Trump als Wahlkampf in den USA

Es ist nicht neu oder ein rein amerikanisches Phänomen, dass sich ein Staatsoberhaupt bei einer regionalen Wahl / Landtagswahl für einen Kandidaten ausspricht. In Deutschland ist es jedoch eher so, dass der Amtsinhaber den Landtagskandidaten besucht, um so Werbung für ihn zu machen. Der Besuch Donald Trumps in Ohio war sowohl für den Kandidaten als auch für ihn ein Prestigemoment. Der rechtsvergleichende Blick zeichnet hierbei ein sehr klares Bild, was vor allem im Hinblick auf die Vorarbeit von Wahlen zu erkennen ist. Der Kampf nach Mehrheiten ist in den USA ein evidenter Prozess, der ohne pompöse Auftritte und meisterhafte Rhetorik gar nicht denkbar wäre. Jedenfalls konnte u. a. durch die neue Art des Wahlmanagements, das v. a. seit 2016 durch den Wahlkampf zwischen Trump and Hillary hervorgetreten ist, eine höhere Wahlbeteiligung geschaffen werden. Hier ist nur zu hoffen, dass dies auch so bleibt, ist die Wahlmöglichkeit doch eines der vornehmsten Bürgerrechte.

Abschließende Gedanken

Die oben aufgeworfene Frage, ob Trump nochmals zur Wahl antreten wird, kann in diesem kurzen Aufsatz wohl nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Anzeichen seiner weiteren, politischen Aktivitäten sind jeweils zum Teil zu erkennen, wenn man sich die Wahl in Ohio genauer ansieht. Dabei steht dem Erfolg in Ohio zwischenzeitlich eine Niederlage in Georgia gegenüber.[17] Die viel wichtigere Frage ist aber, warum es gerade interessant ist, gewisse Systeme wie das Wahlprozedere zwischen Deutschland und den USA zu vergleichen. Wie man oben erkennen konnte, gibt es zwischen den Wahlsystemen der USA und Deutschlands – schon aufgrund der abweichenden Staatsstruktur und dem Regierungssystem – merkliche Unterschiede. Die Erkenntnis, dass die getrennte Wahl von Parlament und Präsident in den USA u. a. auf die im historischen Sinne gänzliche Gewaltenteilung zurückzuführen ist, trägt dazu bei, die in Deutschland vorherrschende Gewaltenverschränkung[18] besser zu verinnerlichen. Der Bundeskanzler kann nach dem deutschen System zum einen Regierungschef sein und gleichzeitig Mitglied des Bundestags. Der US-Präsident als Regierungschef und Staatsoberhaupt dürfte dies nicht, da die Legislative und die Exekutive einer strikten Trennung unterliegen. In diesem Sinne kann wohl behauptet werden, dass ein Blick über den Tellerrand – v. a. im Jurastudium oder generell im juristischen Bereich – nützlich sein kann, um politische wie auch rechtliche Gegebenheiten hierzulande adäquat einzuordnen. Getreu dem Motto: „Es gibt einen Horizont, den du erweitern kannst: deinen eigenen!“[19] ist dies auch angemessen zu bewältigen.

 

Der Autor:

Kevin Frank ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Deutsches und Bayerisches Staats- und Verwaltungsrecht von Prof. Dr. Max-Emanuel Geis und Moot-Court-Koordinator an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 

Responsible Editors: 

Isabel Cagala, TLB Co-Editor-in-Chief

Prof. Karsten Schmid, TLB Editor-at-large

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Delaware: Das „Eldorado“ großer Unternehmen? – DAJV

 

[1] Vgl. Republikaner JD Vance: Vom Trump-Kritiker zum Getreuen | tagesschau.de.

[2] Vgl. https://sgp.fas.org/crs/misc/R45549.pdf, S. 1 ff.

[3] Vgl. https://digitalcommons.law.utulsa.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1229&context=tjcil, S. 360.

[4] Vgl. https://www.ncsl.org/research/elections-and-campaigns/felon-voting-rights.aspx: In den US-Bundesstaaten Maine, Vermont und District of Columbia verlieren Inhaftierte – selbst während ihres Haftaufenthaltes – ihr Recht zum Wählen nicht.

[5] Vgl. https://www.ncsl.org/research/elections-and-campaigns/felon-voting-rights.aspx.

[6] Natürlich sollen im Rahmen des generischen Maskulin alle Geschlechter abgedeckt sein.

[7] Vgl. https://www.reuters.com/investigates/special-report/usa-election-breaches/.

[8] Vgl. Art. 63 I GG: Dieses Prozedere hat vor allem historische Gründe, die v. a. aus den Wirren der Weimarer Republik hervorgehen. Die Position des Reichspräsidenten war zu mächtig und sollte nach der dramatischen Auswirkung, die im nationalsozialistischen Regime ihren Höhepunkt fand, in seinen Kompetenzen begrenzt werden. Dies führte u. a. dazu, dass die Position des Kanzlers in ihren Kompetenzen gestärkt wurde und ab sofort das Parlament die Wahl des Kanzlers übernahm.

[9] Vgl. u.a. https://www.bundestag.de/resource/blob/190494/69a9344feaa8bd5f16465476407bb9e5/richtlinienkompetenz_des_bundeskanzlers-data.pdf.

[10] Da es sich hier um eine Übersetzung mit entsprechendem generisches Maskulin handelt, sind natürlich auch Frauen und Menschen diversen Geschlechts miteingenommen.

[11] Vgl. Art. 54 I GG: Die Bundesversammlung setzt sich zusammen aus den Bundestagsabgeordneten und einer sich deckenden Anzahl an Mitgliedern der jeweiligen Volksvertretungen der Länder.

[12] Ein weiterer Unterschied, der diese abweichenden Kompetenzen deutlich macht, ist, dass der US-Präsident ebenfalls der Oberbefehlshaber der US-amerikanischen Streitkräfte ist, wohingegen in Deutschland die Kommando- und Befehlsgewalt erst im Zuge des Verteidigungsfalls auf den Bundeskanzler (nicht auf den Bundespräsidenten!) übergeht (s. Art. 115b GG).

[13] Vgl. https://usa.usembassy.de/elections08/eJournal%20The%20Electoral%20College.pdf, S. 2.

[14] Vgl. https://www.crf-usa.org/images/pdf/challenge/Winner-Takes-All.pdf, S. 1 ff.

[15] 48 von 50 Bundesstaaten halten sich an dieses Prinzip. Lediglich die beiden US-Bundesstaaten Maine und Nebraska nutzen ein Proportional System.

[16] Vgl. https://www.brookings.edu/wp-content/uploads/2019/10/Big-Ideas_West_Electoral-College.pdf.

[17] Vgl. Dämpfer für Ex-Präsident – Trump-Kandidat scheitert bei Vorwahl im US-Bundesstaat Georgia – News – SRF

[18] Vgl. https://www.bpb.de/medien/40461/I8KTIV.pdf: Ein Ausdruck dieser rechtlichen wie auch politischen Konstruktion findet sich bei der – oben im Text angesprochene – Bildung der Regierung. Diese geht aus dem gewählten Bundestag hervor.

[19] Ein Zitat der Pädagogin Helga Schäferling, was ich hier recht passend finde.