By Jürgen R. Ostertag und Dr. Rudi Ruks

Am 5. Januar 2023 hat die Federal Trade Commission (kurz: FTC; zu Deutsch: Bundeswettbewerbskommission) über den geplanten Erlass von Bestimmungen informiert und die Öffentlichkeit zur Stellungnahme eingeladen. Das Ziel ist es, die Verwendung von vertraglichen Klauseln über Wettbewerbsverbote bundeseinheitlich zu regulieren.
Was sind die Auswirkungen für Unternehmen, was gilt es zu beachten? Der Beitrag verschafft einen Überblick zu den geplanten Änderungen.

Hintergrund und Entstehung

Die Verlautbarung der FTC geht zurück auf die am 9. Juli 2021 von Präsident Biden verkündete Executive Order Nr. 14036. Darin bezeichnete er einen fairen, offenen und wettbewerbsfähigen Markt als Eckpfeiler der amerikanischen Wirtschaft. Ein solcher Markt schaffe hochwertige Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Freiheit, den Betrieb zu wechseln sowie ein höheres Gehalt auszuhandeln, so Präsident Biden. Außerdem verhelfe er den Unternehmen zu einer größeren Auswahl an Lieferanten und Abnehmern, biete Raum für Innovationen und bewirke niedrigere Preise für Verbraucher. Biden zufolge habe in der Vergangenheit jedoch die Konsolidierung von Industrien die Macht der Arbeitgeber gestärkt und es Mitarbeitern gleichzeitig erschwert, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Ein Hindernis sei insbesondere darin zu sehen, dass mächtige Unternehmen von ihren Mitarbeitern die Unterzeichnung von Wettbewerbsvereinbarungen verlangen würden, welche die Möglichkeiten zum Wechsel des Arbeitsplatzes, gerade auch zwischen den Bundesstaaten, einschränke.

Zahlen und Fakten

Die FTC hat diese Aspekte im Rahmen ihres jüngsten Vorschlags aufgegriffen und mit Zahlen untermauert. So sei jeder fünfte US-Arbeitnehmer durch eine Wettbewerbsverbotsklausel gebunden, was in etwa 30 Millionen Menschen entspreche. Es sei unter Verweis auf diverse Studien erwiesen, dass derartige Vereinbarungen zu geringeren Gehältern führten als bei Mitarbeitern ohne eine solche vertragliche Bindung. Die FTC schätzt, dass das vorgeschlagene Regelwerk zu einer Einkommenserhöhung bei Beschäftigten in allen Branchen und auf allen Ebenen um 250 bis 296 Milliarden Dollar pro Jahr führt. Das Argument, mit entsprechenden Klauseln vertrauliche Informationen schützen zu wollen, erteilte die FTC eine Absage. Sie verweist auf die Staaten Kalifornien, North Dakota und Oklahoma, in denen Branchen, die auf Geschäftsgeheimnisse angewiesen seien, florierten – und das, obwohl Arbeitgeber in diesen drei Staaten keine Wettbewerbsverbote durchsetzen dürften.

Nutzung bestimmter Vertragsklauseln als unlauterer Wettbewerb

Das mehr als 200 Seiten umfassende Dokument der FTC enthält Vorschriften, die bundesweit Anwendung finden und eine nachhaltige Beseitigung von Wettbewerbsverboten sicherstellen sollen. Die Konzeption einer bundeseinheitlichen Vorschrift ist dabei ein Novum, weil die Materie bislang auf der Ebene der einzelnen Bundesstaaten geregelt wurde. Der Entwurf der FTC sieht nunmehr vor, dass die Nutzung von vertraglichen Vereinbarungen über Wettbewerbsverbote als unlauterer Wettbewerb qualifiziert wird (Sec. 910.2). Damit wäre es Unternehmen also de facto untersagt, entsprechende Klauseln in Verträgen mit Beschäftigten zu verwenden. Die Norm erfasst in personeller Hinsicht neben „regulären“ Mitarbeitern auch Selbständige, Auszubildende, Praktikanten oder Volontäre. Eine Bezahlung oder Vergütung ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Außerdem ist die Vorschrift so ausgestaltet, dass es nicht auf die ausdrückliche Bezeichnung oder Deklaration einer Abrede als Wettbewerbsverbot ankommt. Vielmehr ist gemäß Sec. 910.1 (2) entscheidend, ob die Vereinbarung in ihrer Wirkung einem Wettbewerbsverbot gleichkommt. Der Entwurf nennt insoweit beispielhaft – nicht abschließend – Geheimhaltungsklauseln, die derart allgemein gehalten sind, dass sie einen Mitarbeiter faktisch daran hindern, in derselben Branche bei einem anderen Arbeitgeber tätig zu werden. Als weiteren Anwendungsfall führt die FTC die Verwendung von Vertragsbestimmungen an, die den Mitarbeiter zur Erstattung von Ausbildungskosten gegenüber dem Arbeitgeber verpflichten, falls etwa der Arbeitsvertrag innerhalb einer bestimmten Zeitspanne beendet wird. Dieses Regelbeispiel soll jedoch nur dann erfüllt sein, wenn der geschuldete Geldbetrag in keinem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten steht. Hier wird es also auf die konkrete Abrede im Einzelfall ankommen, dessen Zulässigkeit anhand der vorgenannten Parameter bewertet werden müsste.

Folgen für bestehende Verträge

Der Entwurf enthält zudem eine Regelung für Verträge, die bereits abgeschlossen wurden und ein Wettbewerbsverbot beinhalten. Hierfür besteht nicht etwa eine Art „Bestandsschutz“ oder dergleichen. Vielmehr verpflichtet Sec. 910.2 (b) den Arbeitgeber, die (dann unlautere) Vereinbarung aufzuheben bzw. davon zurückzutreten. Dies hat spätestens 180 Tage nach Inkrafttreten des Regelwerkes der FTC zu erfolgen. Im Grunde genommen müsste jedes Unternehmen also sämtliche geschlossenen (Arbeits-)Verträge auf den Prüfstand stellen. Denn hinzu kommt, dass der Arbeitgeber spätestens 45 Tage nach der Aufhebung bzw. dem Rücktritt betroffene Mitarbeiter durch eine „individualisierte Kommunikation“ darüber zu informieren hat, dass die Vertragsklausel nicht länger in Kraft und nicht durchsetzbar ist. Als Beispiel für eine solche „individualisierte Kommunikation“ nennt der Entwurf etwa E-Mails oder Textnachrichten und hält zugleich ein Musteranschreiben bereit (Sec. 910.2 (b) (2) (C)). Ein allgemeiner Aushang im Unternehmen oder eingestellter Hinweis im Firmen-Intranet dürfte vor diesem Hintergrund wohl nicht ausreichend sein. Die Informationspflicht gilt nicht nur gegenüber dem aktuellen Mitarbeiterstab, sondern greift ebenfalls zugunsten von ehemaligen Beschäftigten ein, deren Vertrag beendet wurde (Sec. 910.2 (b) (2) (B)). Auch diesen Personenkreis muss der Arbeitgeber informieren, jedenfalls sofern er über Kontaktdaten des Ex-Mitarbeiters verfügt. Eine derartige personelle Erweiterung ist vom Ansatz her zwar nachvollziehbar, da ehemalige Mitarbeiter weiterhin von einem früheren Wettbewerbsverbot betroffen sein mögen. Allerdings erscheint der Vorstoß äußerst weitgehend, zumal es weder zeitlich noch in sonstiger Weise näher eingeschränkt wird, welchen ehemaligen Mitarbeitern konkret der Hinweis geschuldet wird. Es erscheint jedenfalls nicht überzeugend, Beschäftigte informieren zu müssen, die vor zehn Jahren aus einem Unternehmen ausgeschieden sind.

Ausnahmen und geplante Erweiterung auf andere Bereiche

Die untersagte Verwendung von Wettbewerbsverbotsklauseln gilt nicht in Bezug die Veräußerung von Unternehmen bzw. Gesellschaftsanteilen. Gleichzeitig bittet die FTC in ihrem Entwurf um Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit, ob die faktische Untersagung von Wettbewerbsverbotsklauseln nicht auf andere Bereiche ausgeweitet werden sollte, zB auf Franchisenehmer. Umgekehrt soll ebenfalls eruiert werden, eine Ausnahmevorschrift etwa für leitende Angestellte einzuführen.

Folgen und Ausblick

Wenn die FTC ihren Entwurf in die Realität umsetzt, werden auf Unternehmen weitreichende Prüf- und Informationspflichten zukommen. Die Anpassung künftig im Unternehmen zu verwendender Vertragsvorlagen dürfte dabei einfacher zu bewerkstelligen sein, als bestehende Verträge mit (Ex-)Beschäftigten auf entsprechende Klauseln zu prüfen und (Ex-)Vertragspartner auf die Ungültigkeit bzw. die angepasste Rechtslage hinzuweisen. Dabei würden die Pflichten nicht nur lokale Unternehmen mit Sitz in den USA treffen. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kann unter dem Blickwinkel etwa des deutschen (zB Art. 8 Abs. 1, Abs. 2 Rom I-VO) oder US-amerikanischen Internationalen Privatrechts das US-Recht einschließlich des FTC-Regelwerkes auch über geografische Landesgrenzen hinweg Anwendung finden.

 

Die Autoren: 

Jürgen R. Ostertag ist Partner sowie Leiter der Praxisgruppe für deutschsprachige Mandanten bei Tarter Krinsky & Drogin LLP in New York und berät seit über 22 Jahren deutsche Unternehmen und Privatpersonen in US-Rechtsfragen.

Dr. Rudi Ruks ist Rechtsreferendar am Landgericht Duisburg und absolviert derzeit seine Wahlstation bei Tarter Krinsky & Drogin LLP in New York.