Was waren das für Zeiten, in denen wir DAJV Exkursionen in die USA und zur US Air Base in Ramstein, die wie eine Miniatur-Version einer amerikanischen Kleinstadt inklusive Golfplatz und Shopping Mall anmutet, unternehmen konnten. 2020 mussten wir unsere zweite Exkursion zur US Air Force und US Army leider pandemiebedingt absagen.  Mit etwas Glück werden wir noch in diesem Jahr, am 14. Oktober, einen zweiten Anlauf auf die Air Base nehmen können. Bis dahin möchten wir all jenen, die im Oktober dabei sein möchten einen ersten Einblick in die Kaiserslautern Military Community (KMC) geben. Für die lucky few, die beim ersten Mal dabei waren, ist es ein Rückblick auf einen unvergesslichen Ausflug, der zu guter Letzt eine ganz besondere Überraschung für alle Teilnehmer bereithielt.

Gruppenbild mit Uhrturm. Vor dem Hauptportal der Kleber Kaserne in Kaiserslautern.

By Dr. Philipp Kiersch

Am Donnerstag, den 25. Oktober 2018 bot sich für die Mitglieder der DAJV die Gelegenheit eines Besuchs verschiedener Einrichtungen der Kaiserslautern Military Community (KMC). Die von der Leiterin der DAJV Young Professionals, Isabel Cagala, organisierte Exkursion verband dabei ein spannendes rechtliches Programm mit einer exklusiven Besichtigung der Ramstein Air Base.

Das Tagesprogramm begann frühmorgens auf der Kleber Kaserne in Kaiserslautern. Unser Gastgeber war das Office of the Staff Judge Advocate (OSJA) des 21st Theater Sustainment Command (TSC). Dahinter verbirgt sich gewissermaßen die “Rechtsabteilung” dieser Untergliederung der US Army. Nachdem uns deren Leiter, Colonel John S. Frost, Staff Judge Advocate, freundlich begrüßt hatte, erhielten die Fachreferenten das Wort.

Zunächst führte Captain Cory Maggio in Struktur und Organisation der US-Streitkräfte weltweit und insbesondere ihre Rechtsgrundlagen ein. Der Aufenthalt der US-Streitkräfte in Deutschland beruht auf internationalen Abkommen, von denen in der Rechtspraxis vor allem das NATO-Truppenstatut nebst seinem Umsetzungsgesetz sowie das Zusatzabkommen (NTS-ZA) essentiell sind.

Militärgerichtsbarkeit

Der gebürtige New Yorker Captain Maggio, der selbst als Special Victim Counsel an Prozessen beteiligt ist, stellte sodann die Wehrstrafgerichtsbarkeit der US-Streitkräfte vor. Auch Armee-Angehörige übertreten einmal Regeln. Dass Dienstvergehen auch disziplinarische Folgen haben können, dürfte auch für deutsche Juristen eine einleuchtende Rechtsfolge sein. Solche administrativen Maßnahmen und – etwas verschärfter – nonjudicial punishment gibt es auch bei den US-Streitkräften.

Captain Maggio (J.D. Columbia), Special Victim Counsel der US Army

Im Gegensatz zur Bundesrepublik (vgl. aber Art. 96 Abs. 2 GG) haben die Vereinigten Staaten aber darüber hinaus eine umfassende Militärgerichtsbarkeit errichtet, die auf dem Uniform Code of Military Justice (UCMJ, 10 U.S. Code Chapter 47) fußt. Spezielle ad-hoc Militärgerichte (courts-martial) sind dazu berufen, Straftaten von Militärangehörigen abzuurteilen. Tatsächlich fand auch während unseres Besuchs gerade ein solcher Prozess in einem benachbarten Gerichtssaal der Kleber Kaserne statt. Die Zuständigkeit knüpft an die Person des Täters an – nämlich an seine Eigenschaft als Angehöriger der Streitkräfte, vgl. Art. 2 UCMJ – und gilt weltweit (Art. 5 UCMJ). Dabei können sich durchaus auch Zuständigkeitskonflikte mit der deutschen Gerichtsbarkeit ergeben, für die sich in Art. VII Abs. 3 NTS Regelungen finden. Der eigentliche Prozess entspricht dem Leitbild des Adversarial Trial. Der Angeklagte hat die Wahl, ob er nur von einem Richter oder aber von einer Jury (dem Panel) abgeurteilt werden möchte. Die Prozessbeteiligten sind dabei sämtlich Militärangehörige. Das gilt auch für den Military Defense Counsel, der dem Angeklagten in allen Verfahren kostenfrei beigeordnet wird. Diese Militäranwälte (bei der Army dem United States Army Trial Defense Service zugehörig) unterstehen dabei nicht dem Kommando der für den court-martial verantwortlichen Offiziere, sodass ihre Unabhängigkeit gewährleistet ist. Gleichwohl haben die Angeklagten das Recht, sich einen zivilen Verteidiger zu nehmen, den sie allerdings selbst bezahlen müssen. Ein öffentlich verfügbares, umfassendes „Handbuch” für die Durchführung eines court-martial bietet dem interessierten Leser weitere Informationen. Nach der aufschlussreichen Einführung in die Militärgerichtsbarkeit, konnten wir uns mit Anthony’s Pizza, die bei manch einem Teilnehmer Erinnerungen an die letzte Reise nach Chicago wachrief, für das Nachmittagsprogramm stärken.

Der NATO Status im Zivilrecht

Joerg C. Moddelmog, LL.M. (USA), Senior German Attorney-Advisor der 21st TSC, erläuterte einige der Besonderheiten, die man als deutscher Anwalt in Fällen mit Beteiligung einer vom NTS erfassten Person beachten muss. Gem. Art. I NTS fallen darunter nicht nur Angehörige der Truppe, sondern auch das sog. Zivile Gefolge und jeweils deren enge Angehörige. So ist bei Zustellungen an diesen Personenkreis gem. Art. 32 Abs. 2 NTS-ZA von der zustellenden Behörde jedenfalls eine Anzeige der Zustellung bei der dafür zuständigen Verbindungsstelle der Streitkräfte einzureichen. Die Behörden und Gerichte können die Zustellung aber gem. Abs. 1 des Artikels auch von der Verbindungsstelle selbst vornehmen lassen. Als Kläger in einem Zivilprozess sollte man tunlichst darauf hinwirken, dass das Gericht diese Förmlichkeiten beachtet. Denn jedenfalls bei der Vollstreckung eines titulierten Anspruchs wird man auf die Vollstreckungshilfe der Militärbehörden angewiesen sein, die von diesen aber regelmäßig verweigert werden wird, wenn Art. 32 NTS-ZA ignoriert wurde (zu einem solchen Fall vgl. BGH, Urt. v. 14.7.2016 – III ZR 265/15).

Colonel (Retired) R. Peter Masterton, Chief, International Law, 21 st TSC, Militärrichter i.R., Joerg C. Moddelmog, Senior German Attorney-Advisor, 21st TSC, Colonel John S. Frost, Staff Judge Advocate, Leiter der Rechtsabteilung 21st TSC, Captain Cory Maggio, Regional Special Victim Counsel (von links nach rechts)

NATO Claims

Peter Masterton, Chief der International Law Division der 21st TSC, stellte das deliktische Haftungssystem der US-Streitkräfte in Deutschland vor. Ein Teilaspekt hiervon ist etwa die Haftung der Vereinigten Staaten für Schäden, die ihre Truppenangehörigen in Ausübung ihrer dienstlichen Pflichten bei Dritten verursacht haben. Die USA als Souverän können hier vom Geschädigten nicht einfach direkt in Anspruch genommen werden. Man steht allerdings gleichwohl nicht schutzlos da, wenn etwa der eigene PKW gegenüber einem HMMWV (High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle) den Kürzeren gezogen hat. Art. VIII Abs. 5 NTS regelt hierfür eine Geltendmachung gegenüber dem Aufnahmestaat, mithin der BRD. Ansprechpartner für Geschädigte in solchen Fällen sind die bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gebildeten drei Schadensregulierungsstellen des Bundes (SRB). Gem. Art VIII Abs.  5 lit. (a) beurteilt sie den Haftungsfall nach der deutschen Rechtslage. Wird eine Ersatzpflicht des Verursachers bejaht, regulieren die Stellen Schadensersatzansprüche selbst und fordern anschließend bei den Streitkräften die völkerrechtlich geschuldeten Erstattungen ein. Erstattet werden dem Entsendestaat in einem solchen Fall 75 % der Summe (Art. VIII Abs. 5 lit. (e) (i) NTS).

Im Bauch der Boeing C-17, die als Transportflugzeug der US Air Force in Afghanistan zum Einsatz kommt.

Die Ramstein Air Base

Nach dem Fachprogramm ging es spannend weiter. Eine gut 20-minütige Fahrt mit dem DAJV Shuttlebus führte uns von der Kleber-Kaserne zur Ramstein Air Base. Die beachtliche Größe der Anlage mit einer Fläche von 1400 Hektar wurde bei einer Rundfahrt über das Gelände deutlich. Die Air Base ist nicht nur ein Flugfeld, sondern eine veritable Kleinstadt, auf der dauerhaft etwa 2000 Personen leben und über 9000 Menschen arbeiten. Neben Kindergärten und High Schools sowie einer Shopping Mall mit amerikanischen Geschäften und zahlreichen (Fast Food) Restaurants verfügt die Air Base auch über weitflächige Sportanlagen. So befinden sich auf dem Gelände beispielsweise ein Baseballplatz, eine beachtliche Schwimmhalle olympischen Formats und zu unser aller Erstaunen ein 18-Loch Golfplatz. Sogar ein kleines Wäldchen ist vorhanden. Kurz, die Militärangehörigen sollen sich auch fern von der Heimat möglichst zuhause fühlen.

Schlange stehen auf dem Weg zum Cockpit.

Man ist folglich bemüht, die Air Base weitgehend einer amerikanischen Kleinstadt anzugleichen. Es versteht sich von selbst, dass die Kinokarten mit US-Dollar bezahlt werden. Auf dem Flugfeld angekommen, sollten wir  ursprünglich eine Lockheed C-130 besichtigen. Das Flugzeug wurde jedoch für einen kurzfristigen Einsatz gebraucht. Einen mehr als adäquaten Ersatz dafür bot die – wesentlich größere – Boeing C-17, die wir bei strahlendem Herbstwetter von innen und außen in Augenschein nehmen durften. So konnten wir auf den Sitzen Platz nehmen, auf denen üblicherweise die „Airmen“ zu ihren Absprüngen im Irak oder Afghanistan transportiert werden. Wer einmal auf einem dieser kargen Sitze mit nahezu senkrechter Rückenlehne gesessen hat, wird künftig jeden „Economy-Sessel“ zu schätzen wissen. In der weiträumigen Militärtransportmaschine waren, anders als sonst auf der Base, Fotoaufnahmen erlaubt.

Die anwesenden Techniker und Crew-Mitglieder beantworteten geduldig alle aufkommenden Fragen und knipsten für die Teilnehmer manches Erinnerungsfoto im Cockpit. Die ausführliche Besichtigung der Militärmaschine war sicherlich ein ganz besonderes Ereignis, das bestimmt lange in Erinnerung bleiben wird. Nach einem Bustransfer zurück nach Kaiserslautern endete gegen 18.00 Uhr unser ereignisreicher und eindrucksvoller Tag auf der KMC. Sollte sich noch einmal eine solche Gelegenheit ergeben, sei die Teilnahme jedem Interessierten wärmstens empfohlen!

Wenn gerade keine Fracht transportiert wird, dient die Bodenfläche auch mal als Matratzenlager der US Air Force. Und die Besatzung verkürzt sich die Flugzeit mit Filmeschauen.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei der US Army und der US Air Force für die vielen spannenden Einblicke und die große Gastfreundschaft!

 

Der Autor:
Dr. Philipp Kiersch ist Richter am Verwaltungsgericht Köln.

 

Responsible Editor:
Isabel Cagala, TLB Co-Editor-in-Chief